„Information schafft Toleranz“
Politische Bildung ist für das Bildungszentrum Burg Schwaneck ein wichtiger Auftrag; sie ist ein eigenständiger Bereich der Bildungsarbeit. Unsere Jugendbildungsstätte hat seit Anfang Mai nun sogar einen eigenen Referenten für Politische Bildung: Maximilian Vohburger. Im Interview verrät er nicht nur, wie er sich sein neues Aufgabengebiet vorstellt.
Max, seit Anfang Mai bist Du Referent für Politische Bildung, für unseren Träger, den Kreisjugendring München-Land bist Du allerdings schon etwas länger tätig!
Ja genau, vor mittlerweile zehn Jahren habe ich neben meinem Studium der Religionswissenschaften an der LMU mit einem kleinen Stundenkontingent in der OGS am Neubiberger Gymnasium begonnen und war bis 2017 dort für den KJR tätig. Danach bin ich für den Master nach Leipzig gegangen. Nach der Abgabe meiner Masterarbeit und dem Abschluss bin ich dann kurz vor dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 in meine Geburtsstadt München zurückgekehrt – und auch zum KJR, nämlich in die OGS und JSA in Neubiberg.
Worum ging es denn in Deiner Masterabeit?
Mein Forschungsgegenstand war die Verbindung von Politik und Religion und auf welche Art und Weise totalitäre Regimes religiöse Symboliken und Themen aufgreifen und für ihre Ideologie verwerten.
Das klingt, als würde da eine Menge von Deiner Passion für Politische Bildung drinstecken.
Absolut! In der Arbeit verbinden sich meine Interessen für die Geschichte und welche Lehren man aus ihr ziehen kann. Sowohl in der Politik als auch in der Religion gibt es bestimmte Muster und da lassen sich durchaus Parallelen ziehen.
Wenn Du als Münchner Kindl auf Deine Leipziger Zeit zurückblickst – was vom Lebensgefühl an Elster, Pleiße & Co würdest Du gerne in die Isarmetropole importieren?
Ob Yogakurse oder Demonstrationen – obwohl Leipzig nicht einmal halb so viel Einwohner hat wie München, hat die Stadt mehr Subkultur zu bieten. Und damit meine ich nicht nur ein paar versprengte Punks im Stadtbild, sondern generell eine größere kulturelle und politische Vielfalt und Offenheit. Von dieser studentischen Atmosphäre und der Lockerheit könnte sich München etwas abschauen und diesen Nimbus der Oberflächlichkeit gegen mehr Miteinander und Diversität eintauschen. Und ich habe den Eindruck, dass die Leipziger den öffentlichen Raum in der Stadt besser für sich nutzen. Da ballt sich nicht alles an ein paar Hotspots, sondern es ist überall etwas los; so war das zumindest vor der Pandemie.
„Information schafft Toleranz“
Mit deiner Stelle wurde die Bedeutung der Politischen Bildung an der Burg ja nochmal betont. Was bewegt dich an diesem Themenfeld, was findest Du daran so wichtig?
Das sind im Wesentlichen zwei Gründe. Zum einen möchte ich Jugendlichen klarmachen, dass Beteiligung möglich ist und sie dazu ermutigen, politisch aktiv zu sein. Denn sie unterschätzen oft, was sie alles bewirken können! Natürlich ist die Altersgruppe der 40- bis 80jährigen aufgrund des demographischen Wandels viel größer und erscheint daher sehr einflussreich – aber deswegen die Hände in den Schoß zu legen und zu sagen „ich kann eh nichts verändern“ halte ich für den falschen Weg. Die Themen der Jugend in der Pandemie sind ein gutes Beispiel dafür, dass man Gehör finden kann, wenn nur beharrlich genug dranbleibt. Meinen zweiten Grund könnte man mit „Information schafft Toleranz“ umschreiben. Wissensvermittlung gepaart mit Werteerziehung sind elementar, um aus der Geschichte lernen zu können und sich vor Vorurteilen zu schützen. Parteien interpretieren politische Ereignisse subjektiv, zugrunde liegt aber immer eine objektive Faktenlage. Politische Bildung sollte dazu befähigen, echte Fakten zu erkennen und sie von Meinungen und Fake News zu unterscheiden.
Politische Bildung ist ja ein fester Bestandteil unseres Bildungsauftrags. Was hast Du jetzt in dem Bereich vor?
Im September und Oktober kommen zwei Gruppen der Bundeswehr zu uns, die Workshops zu Social Justice und Rassismus angefragt haben. Ich finde super, dass die Bundeswehr da proaktiv agiert. Ab Herbst 2021 möchte ich die Politische Bildung generell noch stärker im Fortbildungsprogramm der Burg Schwaneck verankern und mit den Angeboten sowohl Jugendliche als auch Schulklassen ansprechen. Denn die Außerschulische Bildung kann in dem Bereich den Unterricht hervorragend ergänzen. Wir können hier mit einem erlebnispädagogischen Ansatz arbeiten und den Jugendlichen ermöglichen, eigene Erfahrungen mit einzubringen. Dafür gibt es im Unterricht oft einfach zu wenig Platz. So schaffen wir Teilhabe und einen niedrigschwelligen Einstieg in das Thema, so dass bei den jungen Menschen erst gar nicht das Gefühl aufkommt, Politische Bildung sei kompliziert oder uninteressant. Ein besonderes Augenmerk möchte ich auch auf den Kolonialismus legen; wenn man schon so ein geschichtsträchtiges Bauwerk wie die Burg Schwaneck zur Verfügung hat, sollte man das auch nutzen.
Durch die Pandemie hat sich die Bildungslandschaft enorm verändert – was ist für Dich die größte negative beziehungsweise positive Veränderung?
Da geht es mir so, wie vielen anderen auch: Der fehlende direkte persönliche Kontakt war für mich persönlich der negativste Aspekt. Ich schätze mal, dass uns als Gesellschaft diese Thematik und deren Folgen noch länger beschäftigen werden. Gefreut hat mich auf jeden Fall, dass in der Jugendarbeit früh durch digitale Angebote versucht wurde, gegenzusteuern um die negativen Folgen der Kontaktbeschränkungen zumindest etwas abzufedern. Und damit komme ich zur positiven Veränderung – die Digitalisierung hat endlich den Sprung gemacht hat, der schon lange vonnöten war. Begrüßenswerte Begleiterscheinungen sind außerdem die ökologisch positiven Folgen und ein neues Bewusstsein „es geht auch ohne Kurzstreckenflüge“. Und schließlich hat uns die Pandemie – zumindest teilweise – ein gesünderes Verhältnis zur Arbeit und ein fast antikapitalistisches Movement beschert, weg vom „höher, schneller, weiter“ hin zu mehr Zusammenhalt und Familie. Darauf muss man aufbauen.
Wenn Du mal nicht politisch aktiv unterwegs bist – wo trifft man Dich dann?
Da ich vielseitig kulturell interessiert bin, findet man mich auf Konzerten oder in den verschiedensten Ausstellungen in Schwabing und Haidhausen oder auch beim Jahresabschluss der Akademie der Bildenden Künste. Und wenn ich meine Gitarre bald wieder im Proberaum statt im Wohnzimmer auspacken kann – dann findet man mich auch da.
Das Interview führte Elke Uta Rusch.